Mehrstetten, Hirsch im Grünen

Mehrstetten, Landhotel Hirsch im Grünen

Bekenntnis zur Alb-Heimat

„In meiner Generation haben fast alle in die Sterneküche geschnuppert. Die wissen, wie man so und anders kocht“, erklärt Stefan Mandel, Küchenchef im „Hirsch im Grünen“ in Mehrstetten und schwärmt von den völlig verrückten 70er- und 80er-Jahren. Als seine Mutter auf der Münsinger Alb das Salatbuffet salonfähig gemacht hat, eine Jukebox in den Gastraum stellte und damit den Halbstarken im Ort einen Unterschlupf bot. Eng, rauchig und laut war`s im alten „Hirsch“ in Mehrstetten. Die Gastwirtschaft an der Durchgangsstraße war – mangels anderer Angebote – für die Jugend im Ort der Knaller.

„Mutter Renate hat für die Zeit sehr gut und sehr modern gekocht“, erinnert sich der Küchenchef. Traditionell geschmorte Wildgerichte waren völlig aus der Mode. Es war die Zeit der Kurzbratstücke vom Grill. Nebenbei fällt Stefan Mandel auf, dass der „Hirsch“ in Mehrstetten immer schon eine Weiberwirtschaft war: 1883 gegründet von Urgroßmutter Lina.

Stefan Mandel ist bei ihr aufgewachsen. Wenn er in sich reinschmeckt und dabei an zuhause denkt, dann riecht es nach dem butterzarten Sonntagsbraten der Uroma mit hausgemachten Spätzle und lauwarmem Kartoffelsalat. Genauso muss es auch heute noch schmecken, im „Hirsch im Grünen“. Weil er s`Alter dazu hat, meint Stefan Mandel verschmitzt: „Als Junger will man alles andere, aber nicht kochen wie die Uroma“.

Hirsch im Grünen Mehrstetten

Auch die Oma Lina war Wirtin. Mutter Renate hat die Gastwirtschaft im Ortszentrum bis zu ihrer Heirat mit Konditor Alfred Mandel zusammen mit der Oma betrieben. Die Leidenschaft fürs Backen stammt sicher vom Vater, der zudem ein großartiger Unterhalter war.

Stefan Mandel absolvierte mit 15 eine Bäckerlehre in der Münsinger Großbäckerei Gaub, bevor er mit 18 in der Küche des großangelegten „Restaurant am See“ in der Ulmer Donauhalle als Kochlehrling anheuerte. 300 bis 400 Essen am Tag und Banketts bis zu tausend Personen waren am Messestandort keine Seltenheit. Die Restaurantküche: „bürgerlich anspruchsvoll, international angehaucht“.

Es folgte ein halbes Jahr in der Küche der noblen „Forelle“ im Ulmer Fischerviertel, mit allem Chi-Chi. Dann ging es für Stefan Mandel nach Stuttgart – in die schwäbische Küche des Steigenberger Hotel Graf Zeppelin. „Da wurde gnadenlos gut gekocht“, begeistert sich der Mehrstetter heute noch, „die hatten das beste schwäbische Restaurant in ganz Stuttgart“.

Von Köchinnen geprägt bleibt Stefan Mandel eins unvergesslich: Seine Zeit im „Restaurant Hessler“ in Frankfurt. Küchenchefin Doris-Katharina Hessler erhielt 1979 als eine der ersten Frauen in Deutschland einen Michelin-Stern. Die Spitzenköchin mit dem Beinamen „Katharina die Große“ arbeitete vollwertig, ausnahmslos mit natürlichen Lebensmitteln, insbesondere aus der asiatischen Küche. Sie veröffentlichte vier Kochbücher. Zwischen 1997 und 2000 trat sie in über 100 Sendungen des ARD-Buffet auf. Vom Personalessen im „Hessler“ schwärmt Stefan Mandel heute noch.

„Und irgendwann war man dann genug unterwegs“, meint der Älbler. In Mehrstetten stand die Betriebsübernahme an. Seine Frau Anke hatte ihre Hotelfachausbildung im italienischen Gourmetrestaurant im Schlosshotel Monrepos in Ludwigsburg absolviert.

Beiden war klar, dass der alte „Hirsch“ so keine Perspektiven bot. Die Idee, mit dem ganzen Gastronomie-Zirkus einfach ins Grüne umzusiedeln, fand zuerst weder bei der Familie noch bei der Stammkundschaft Verständnis. Für die Mandels stand fest: „Alb-Feriengäste suchen die Natur, den weiten Blick über die Alb, durch großflächige Fenster und die gute Luft auf der Sonnenterrasse.“

Mit seinen zehn Gästezimmern war und ist der „Hirsch-im-Grünen“ prädestiniert für Familienfeste und Hochzeitsgesellschaften, die das moderne, lichte Ambiente schätzen. Heute haben die Mandels an Sonntagen über 50 Prozent Fahrrad-Ausflügler zu bewirten. Pauschalangebote mit Übernachtung und einem üppigen Frühstücksbuffet laufen wie geschmiertes Brot.

Obwohl Mehrstetten selbst ein weißer Fleck im Biosphärengebiet ist, sind Anke und Stefan Mandels überzeugte Biosphären-Gastgeber: „Da gibt es ja keinen Schlagbaum. Biosphären-Gastgeber zu sein ist ein Bekenntnis, dass man hier sein will und nirgends anders. Das hat auch bei mir sehr lange gedauert“, sagt der Hirsch-Wirt.

Das groß gedachte Tourismusmarketing der Biosphäre sorge für ordentlich Rückenwind. „Die Leute drücken auf die Alb“, erklärt der bekennende Älbler. Für die regional ausgerichteten Gastronomen, so Mandel, sei das Geschäft dadurch einfacher geworden: „Wenn einer im Lautertal ein Gasthaus übernimmt und gut kocht, dann hat er ein gutes Auskommen.“

Auch die Einheimischen begreifen das inzwischen. Die Stammtische haben den Weg an den Ortsrand gefunden. Das jüngere Publikum ist längst in der Salat-Spur von Mutter Renate Mandel angekommen, die Küchenchef Stefan Mandel in unterschiedlichsten Biospären-Varianten zelebriert.

Die Fonds für die je nach Gericht unterschiedlichen Soßen entstehen in der Hirsch-Küche nach wie vor nach uralten Rezepten und immer noch in den original-Töpfen der Uroma. Mandel: „Eigentlich mache ich das, was meine Uroma 1905 auch gemacht hat: Schmorgerichte von Schwein, Kalb und Hirsch. Saisonal Lamm, Gans und Zander und einen klassischen Sauerbraten. Wild aus den Wäldern um Mehrstetten verkaufen wir inzwischen ganzjährig.“ Klassiker auf der Speisekarte sind: das Rehschnitzel, gebraten in Sonnenblumenkernen und Waldhonig. Sehr zart geschmortes Albreh im Töpfle oder rosa Gegrilltes mit einem eleganten Whisky-Preiselbeersößle.

Zweimal im Jahr geht Stephan Mandel mit Gästen und einem hiesigen Jäger auf Erkundungstour in den Wald – mit anschließendem Wild-Buffet. Das Reh zerlegt er nach wie vor selbst. Und am liebsten wäre ihm, nur noch Produkte von Tieren zu verarbeiten, die Wertschätzung im Freigang erfahren haben.

Im Sommer pflegt der „Hirsch-im-Grünen“ die legere Küche, etwa mit älbler Angus-Steak vom Grill. „Veggielove“ (Sellerieschnitzel mit Joghurtdip) und einem lindgrünen Cremesüppchen aus Ankes Kräutergarten. Im Winter wird`s aufwändiger. Da ist dann mehr Zeit für Albkorn-Pfannkuchen mit Ehestetter Steinchampignon-Soße. Eine kulinarische Reise über die Alb mit typischen Spezialitäten geht in Mehrstetten immer.

Oma`s Schweinsbrätle sous-vide oder die unkaputtbare handgemachte Brotsuppe von alten Scheiben selbstgebackenen Bauernbrots sind Kindheits-Erinnerungen, die den „Hirsch“ zu dem machen, was er ist: ein gutes Stück geschätzte Familientradition, die von Anke und Stefan Mandel in ihrem „Hirsch-im-Grünen“ nach wie vor mit viel Begeisterung gepflegt wird. Ein Wermutstropfen bleibt: Die beiden Söhne Anton und Erik sind Metaller und vom Immobilienfach. Eine Übernahme ist nicht in Sicht. „Irgendwie wird es weitergehen“, da bleibt Stefan Mandel optimistisch.

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