Besusst Mensch
und überzeugend anders
„Überzeugend anders – unglaublich lebendig – bewusst Mensch – einfach offen – legendär lecker“, so beschreibt sich das neue Nepomuk am Verkehrsknoten „Unter den Linden“. Gastronomie und Kultur in Selbstverwaltung. Ganz kurz zusammengefasst: „… nicht gewinnorientiert und ohne Chef.“ Ein alter und ganz junger Gedanke.
Auf dem Energiesektor, bei Erzeugergemeinschaften, Generationenprojekten und bei Banken sind Genossenschaften im Kommen. Kein Vergleich zum Hype in den Achtzigern: In Reutlingen gründete sich der Arbeitskreis Alternative Ökonomie mit Anti-Atomkraft-Bewegung, Kirchenasyl, Möbelverwertung, Buchladen und vielem mehr. Aus der „Zelle“ (freies Jugendzentrum Reutlingen) heraus entstand oben in der Burgstraße ein kleines Café. Die SOKI (GmbH zur Förderung soziokultureller Initiativen), zusammen mit dem gemeinnützigen Nepomuk Kulturverein e.V. wurde gegründet. Die große Lösung – ein soziokulturelles Zentrum für Reutlingen – war über Jahre hinweg nicht durchsetzbar gewesen.
Das Nepomuk war 1983 ein Treffpunkt für Kultur und hoch politisch. Mit winziger Küche, 50 Plätzen, integriertem Frauencafé und Einheitsgehältern mit dem „Potenzial zur Selbstausbeutung“. Das gönnte man sich, ging nebenher jobben, warf auch diese Kohle in einen gemeinsamen Topf zugunsten geiler Parties und einer anderen Lebensphilosophie.
Zehn Jahre später der Umzug ins ehemalige französische Garnisons-Casino hinterm Bahnhof „Unter den Linden“. Eine „Kulturstelle“ wurde gegründet. 2008 entstand im Truppen-Kino mit dem Kulturzentrum FranzK ein eigenständiger Betrieb. Die Gastronomie ist gewachsen. Auf 100 Plätze plus Biergarten und Catering. Rund 40 Mitarbeiter, davon gut aufgestellt zehn in der Küche. Mit ganz unterschiedlichen sozialen und beruflichen Hintergründen: viele Quereinsteiger, die sich über die Jahre selbst professionalisiert haben.
Anspruch und Engagement waren und sind hoch. Die Herausforderungen sind es auch. In der Krise hat sich der Konflikt zwischen den eigenen politischen Zielen und der Wirtschaftsfähigkeit eines am Markt tätigen Unternehmens zugespitzt. Im Nepomuk wird viel und konträr diskutiert. Umverteilung und Selbstbestimmung sind als Thema wichtiger denn je.
Cocktails werden im Nepomuk gefeiert
Vor zehn Jahren sind viele aus der Gründergeneration ausgeschieden. Vor vier Jahren wurde ein Generationswechsel vollzogen. Die Neuen haben sich den kollektiven Schuh angezogen und sind inzwischen sortiert. Gremien wurden zugunsten kurzer Wege abgeschafft, für mehr organisatorischen Freiraum. Die Vollversammlung entscheidet basisdemokratisch. Klar ist, dass sich was ändern, muss am Lohn, und dass die Gastronomie attraktiver werden muss für neue Leute. Damit steht das Nepomuk nicht alleine. Allerdings wird hier die Verbindung von Arbeit und Leben schon immer anders gedacht.
Das Speisecafé Nepomuk lebt eine offene Kultur
Hotelfachfrau Kaya vom Serviceteam kam 2019 dazu: „Diese Betriebsform gibt uns genau das, wonach wir suchen“, erklärt sie in einem Interview mit dem Freien Radio „Wüsten Welle“ Tübingen/Reutlingen, „viele junge Menschen haben keine Lust mehr, in die Gastro zu gehen. Man hört viel Schlechtes. Die Branche ist verpönt. Ich war im 4/5-Sterne Business unterwegs und kannte das hier gar nicht: ein bunter Haufen, in dem jeder willkommen ist. Hauptsache fleißig und mit Herzblut – statt Karriereleiter und Druck.
Solidarität, Gleichberechtigung und Toleranz. Es ist ein ganz anderes Arbeiten. Man erfährt, was in einem steckt. Sieht Möglichkeiten, sich zu entfalten, was den Beruf wieder interessanter macht.“
Bei ihr hört sich das so einfach an: „Ich möchte sein wie ich bin. Ich möchte, dass ich als Mensch mit meinen Möglichkeiten wahrgenommen werde“, sagt sie im Beitrag.
Das komplette Interview, den spannenden geschichtlichen Abriss und einen Video-Beitrag mit den Gründern des Café Nepomuk gibt es auf der neuen Homepage: https://nepomuk-reutlingen.de